Zeitdienst im Wandel - von der Uhr zum Netzwerk

Hauptuhren sind heutzutage hochintelligente Systeme, die Gebäude überwachen, die Arbeitszeit erfassen, Klimaanlagen steuern und obendrein noch mit Rechnernetzen kommunizieren können.

Die richtige Zeit ist eine Frage der richtigen Technik. Im Verkehrswesen gilt der richtigen Zeit die höchste Priorität, denn für viele Bereiche des Alltags gibt sie den Takt an. Das allein genügt heute aber nicht mehr. Verkehrsbetriebe müssen immer komplexere, zeitabhängige Funktionen flexibel, zuverlässig und wirtschaftlich steuern können. Solche Anforderungen setzen die Verwendung hochentwickelter Zeitdienstanlagen voraus.

“Zur Zeit erleben wir einen Technologiewandel – ähnlich wie in der jüngsten Vergangenheit in der Telekommunikation”, stellt Dipl. Wirtsch,-Ing. (FH) Michael Schoettle fest. Seine Trendbeobachtung: Ein Großteil herkömmlicher Technik verabschiedet sich langsam aber sicher aus dem aktuellen Marktgeschehen, weil sie heutigen und künftigen Anforderungen nicht standhält. Als langjähriger Geschäftsführer der BÜRK MOBATIME GmbH hat Schoettle selbst zahlreiche Innovationen rund ums Thema Zeit mit angestoßen. Das Unternehmen schreibt die traditionsreiche Geschichte der Bürk-Uhrensysteme aus Villingen-Schwenningen fort. Es stattet Verkehrsbetriebe und Gebäudekomplexe mit modernen Systemen zur Zeitanzeige, -steuerung, -verteilung und -erfassung aus. Das deutsch-schweizerische Unternehmen ist unter anderem offizieller Ausrüster der Deutschen Bahn AG.

“Vorausschauende Manger von Verkehrsbetrieben, aber auch viele Planer und Entscheidungsträger im Bereich des Facility Management haben erkannt, daß sie mit konventionellen Systemen an wirtschaftliche und organisatorische Grenzen stoßen”, sagt Michael Schoettle. Sein Nachfolger in der Geschäftsführung von BÜRK MOBATIME, Dipl.-Ing, Dipl.-Wirt.-Ing (FH) Stephan Herrmann, bringt es auf den Punkt: “High-tech und Flexibilität werden zum Standard.”

High-tech und Flexibilität werden zum Standard

Warum dieser Wandel? “Es gibt immer komplexere zeitkritische Anforderungen”, hat Stephan Herrmann festgestellt. Zeitdienstanlagen müssen heute mehr können als allein Uhren zu steuern. Der Trend zur Automatisierung in der Gebäude- und Verkehrstechnik erfordert multifunktionale, intelligente Lösungen, die auch über weite Strecken und in unterschiedlichsten Netzen funktionieren müssen. Hauptuhren müssem mit Sicherheitsanlagen oder Rechnernetzen kommunizieren können. Zutrittskontrolle, Videoüberwachung und Türsteuerungen, Arbeitszeiterfassung und Parkautomaten, Licht, Heizung, Lüftung und Klimaanlagen, Kommunikationstechnik und Werbung brauchen eine verläßliche Zeitreferenz.

Die Zeitsynchronisation muß über Datennetz und Internetprotokoll genauso realisierbar sein wie über serielle Schnittstellen oder Bus-Systeme, über Zweidrahtleitung genauso wie über Lichtwellenleiter. Uhrenanlagen und Uhrwerke müssen eine gewisse Intelligenz aufweisen und digitale Zeittelegramme verarbeiten können. Die Systemzeit muß an IT-Infrastrukturen weitergegeben werden können, um zu gewährleisten, daß Zeitangaben auf Fahrscheinen, Dokumenten, E-Mails, Faxsendungen oder in vielfältigen Peripheriegeräten stets absolut übereinstimmen.

Zeitsysteme sollen außerdem – mehr den je – störungs- und wartungsfrei sein, um Personal- und Servicekosten einzusparen. Sie sollen nicht einfach nur Zeitsignale in ein Netz einspeisen, sondern auch eine Rückmeldung über den Betriebszustand des Empfängers verarbeiten und anzeigen – damit man die Überwachung zentralisieren und rationalisieren kann.

“Die Verkehrsträger haben erkannt, daß neueste Technologie sie von zahlreichen Belastungen befreit”, ergänzt Michael Schoettle. Beispiel Funkuhr: “Sie ist autonom und muß lediglich mit Strom versorgt werden. Die richtige Zeit holt sie sich selbstständig über das DCF- oder GPS-Funksignal. Niemand muß mehr zum Sichtvergleich die Haltestellen und Bahnsteige ablaufen, und die Ganggenauigkeit oder die zeitgenaue Umstellung von Winter- auf Sommerzeit zu kontrollieren.”

Die Konsequenz: Investition in moderne Zeitdienstanlagen

Moderne Zeitdienstanlagen müssen aufgrund der gewachsenen technischen Anforderungen also Alleskönner sein. Sie stehen bei vielen Verkehrsbetrieben bereits auf dem Investitionsplan. Die internationale Firmengruppe um BÜRK MOBATIME und die Schweizer Muttergesellschaft MOSER-BAER AG hat ihr Sortiment früzeitig in diese Richtung entwickelt und laufend weitere Innovationen integriert.

In den eindrucksvoll gestalteten Uhren für Hallen, Fassaden und Bahnsteige leisten intelligente, selbstrichtende Uhrwerke mit Mikroprozessor und Zeigerdetektion ihren Dienst. Sie können selbstständig und im Sekundentakt Datentelegramme von Zeitservern oder Funksignale auswerten. Modular konzipierte Computer-Hauptuhren wie der MobaTime Server (MTS), Master Time Center (MTC), CompuTime Center (CTC) und das Zeitverteilsystem MobaLine setzen auf dem Markt Maßstäbe und stellen in bedeutenden Installationen der jüngsten Zeit die geeignete Zechnik und die richtige Zeit zur Verfügung.

Namhafte Referenzen sind die Wiener U-Bahn, die MRT in Singapur oder die Stadtbahn Rein-Ruhr in Düsseldorf. Anlagen der französischen SNCF oder der Hong Kong Metro wurden ebenso ausgerüstet wie Bahnstationen in Medellin oder Fortaleza in Brasilien. Bei diesen Projekt ist neben der zukunftsorientierten technischen Lösung auch die Vorgehensweise besonders beispielhaft.

Wien: Vernetzter Zeitdienst über viele Kilometer

Ein vernetzter Zeitdienst über große Entfernungen war der Wunsch der Wiener Linien beim Ausbau der U 4  zwischen Schwedenplatz und Hütteldorf. Das Unternehmen, größter Mobilitätsdienstleitster Österreichs, baut ein umfassendes LON-Datennetz auf (LON = local operating network). Die MOBATIME-Systeme mußten sich nahtlos einfügen lassen und sollten gewährleisten, daß auch in zehn Kilometer Entfernung von der Leitstelle am Karlsplatz jederzeit sehr präzise die richtigen Zeitsignale zur Verfügung stehen.

Die Wiener Linien befördern auf 117 U-Bahn-, Straßenbahn- und Autobuslinien jährlich rund 730 Millionen Fahrgäste. Mit einem Marktanteil von 34 Prozent an allen Wegen der Wiener Bevölkerung stehen die Wiener Linien im Spitzenfeld städtischer Verkehrsunternehmen in Europa. Ihr Fahrgastaufkommen wächst ständig. Die Wiener Linien sind darüber hinaus einer der größten österreichischen Investoren für Verkehrsinfrastruktur. Jahresvolumen: rund 0,3 Millarden Euro. Mehr als die Hälfe davon fließt in den Neu-und Ausbau von U-Bahnen.

Bau Ausbau der U 4 erwies sich eine Lösung mit LON-Knoten an sieben verschiedenen Haltestellen als geeignet. In jedem Knoten wurde ein Master Time Center (MTC) als Sub Master Clock plaziert, um vor Ort alle Uhren und zeitabhängigen Schaltfunktionen der U-Bahn-Station zu steuern bzw. zu synchronisieren. Ein weiterer MTC in der Leitstelle am Karlsplatz übernimmt die Rolle der Main Master Clock. Er synchronisiert und überwacht die einzelnen Stationen über das Datennetz (2-Draht-Leitung) und steuert zentrale Funktionen. Die Lösung mit den MTC-Zeitzentralen bot sich an, weil ihr modulares Konzept ideal in die Gesamtplanung paßte.

Höchste Betriebssicherheit hatte für die MRT Singapur absolute Priorität. Die Qualitätsansprüche des südasiatischen Stadtstaates sind legendär. Beim Ausbau der Leitstelle der Metro wurden die MTC-Beräte als Main Master Clock daher mehrfach redundant ausgelegt – ein Beispiel für ihre Anpassungsfähigkeit. Die Zeitzentrale ist mit zwei GPS-Antennen für den Empfang des Satelliten-Zeitsignals und zwei Hauptuhren ausgerüstet.

Insgesamt 54 dezentrale, per serieller RS 232-Schnittstelle an das Glasfaser-Backbone angebundene Computerhauptuhren versorgen die MRT-Bahnstationen und Depots mit Zeitsignalen. Im Falle einer Störung läuft jede Computerhautpuhr auf  Quarzbasis weiter und kann so einen autonomen, lokalen Weiterbetrieb gewährleisten. Die zentrale MTC-Einheit bedient darüber hinaus mittels Network Time Protocol (NTP) und Ethernet-Anschluß das Computernetz des MRT Singapur mit wichtigen Daten.

Auf vier Neubauabschnitten der Rheinbahn hat der Betreiber, die Rheinische Bahngesellschaft AG in Düsseldorf, die Zeitverteilung zentralisiert. Hier steuern CompuTime Center (CTC) von BÜRK MOBATIME die Uhren der einzelnen Haltestellen und viele andere zeitrelevante, weit verstreute Schaltfunktionen. Sie stehen in Verbindung mit einem MTC als übergeordneter Zeitzentrale. Der Technologiewandel offenbart sich hier besonders deutlich.

Während die IT-Infrastruktur an den Neubaustrecken auf einem leistungsfähigen Glasfasernetz aufbaut, müssen gleichzeitig auf bestehenden Strecken noch ältere Übertragungswege mit Kupferkabel bedient werden. Der MTC speist Zeittelegramme einerseits digital ins moderne Glasfasernetz ein und kommuniziert bidirektional mit den CTC-Stationen. Er versorgt andererseits weitere CTC’s auf älteren Bahnhöfen durch Tonfrequenz-Code (IRIG, AFNOR; DCF-FSK). Die Lösung gestattet es der Rheinbahn, bei späterer Modernisierung der  älteren Strecken die Zeitzentralen weiter zu nutzen. Durch Änderung eines Parameters lassen sich die CTC-Zeitrentralen weiter zu nutzen. Durch Änderung eines Parameters lassen sich die CTC-Zeitzentralen kurzfristig an neue Netzwerk-Infrastrukturen anpassen. “Das bedeutet Investitionssicherheit”, betont Michael Schoettle.

Wenn Verkehrsbetriebe heute ihre Investitionsplanung beraten und das Thema Zeitdienstanlagen auf die Tagesordnung nehmen, geht es – wie bei den erwähnten Referenzprojekten – um grundlegene Entscheidungen. Sollen oder können ältere Installationen noch mit genutzt werden? Welche Vernetzungstechnologien sind sicher, wirtschaftlich und zukunftsfähig? Sind neue Computerhauptuhren kompatibel zu bestehenden Anlagen und offen für die Informationstechnik der Zukunft, so daß man schrittweise und maßvoll den Technologiewandel vollziehen kann? Ebenso spielt die Frage eine Rolle, wie Zeitsysteme den hohen Organisationsgrad von Unternehmen und Verwaltungen im Informationzeitalter unterstützen können.

Zeitdienstsystem und Vernetzung

Im Zentrum der Überlegung steht die Leistungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Hauptuhr. Das sollte heute in der Regel eine intelligente Computer-Zeitdienstzentrale sein – ein Zeitmanager, der höchsten technischen Ansprüchen genügt, multifunktional und modularnutzbar ist und installations- und servicefreundlich in die Gebäude- und Informationstechnik integriert werden kann.

Eine wesentliche technische Herausforderung besteht darin, ein geeignetes Konzept für die unterschiedlichen Schnittstellen und Übertragungswege zu haben, die noch bzw. künftig auf dem Markt sind. Oft sind in öffentlichen Einrichtungen wie dem Verkehrswesen mehrere Systeme nebeneinander in Betrieb, denn der Technologiewandel vollzieht sich nicht von heute auf morgen.

Innovative und modulare Zeitdienstsysteme sind die Antwort der BÜRK MOBATIME GmbH auf diese Bedürfnisse und Planungsüberlegungen. Die Grundstruktur besteht aus der Computer-Zeitdienstzentrale bzw. einem Zeit-Server mit Schnittstellen zu den unterschiedlichen Kommunikationswegen, aus den Unterzentralen in einzelnen Bahnhöfen oder Gebäuden und aus den nutzbaren Funktionen. Dazu zählt die Steuerung von Uhrwerken genauso wie das ganze Feld der Gebäudeautomation, Kommunikations- und Informationstechnik.

Die Zentrale nutzt als perfektes Zeitsignal idealerweise die Daten der Braunschweiger Atomuhr, die über den Sender Mainflingen ausgestrahlt werden (DCF 77), oder die Zeitangaben des GPS-Satellitensystems. Sie stellt diese Informationen zweckbestimmt und angepaßt an die jeweilige Infrastruktur zu Verfügung.

“Gerade wenn man die Vernetzung vielfältiger Funktionen plant, muß man der Informationsübertragung besondere Aufmerksamkeit widmen”, betont Stephan Herrmann in diesem Zusammenhang. Die gute alte Impulssteuerung reicht da nicht mehr aus. Er verweist auf das Beispiel der MobaLine-Zeitsteuerung von BÜRK MOBATIME. Sie verwendet ein Datentelegramm mit 99 Bits, das alle Informationen von der Jahreszahl bis zur Hundertstelsekunde enthält und hochredundant ist. Noch einen Schritt weiter in Richtung Hightech geht man mit Netzwerkdiensten für Datennetze. Sie spielen bei Nahverkehrsplanungen und -investitionen bereits eine starke Rolle als Anwendungen in Gebäuden und Rechenzentren (LAN = Local Area Network) und in der Fläche (WAN = Wide Area Network). Hier muß das international standardisierte Network Time Protocol (NTP) geliefert werden können. Es beinhaltet nicht nur die Zeitinformationen, sondern komplexe Statistikfunktionen und Algorithmen. Weitherin müssen Zeitdienstanlagen auch das Simple Network Management Protocol beherschen (SNMP), das zur Überwachung des Betriebverhaltens von Netzwerkkomponentem eingesetzt wird.

Getreu der Innovationsstrategie hat BÜRK MOBATIME für die MobaTime Server (MTS), Master Time Center (MTC) und CompuTime Center (CTC) bereits professionelle Netzwerkdienste im Programm. Über Module lassen sie sich zu Zeitservern ausbauen, die NTP-Daten liefern und per SNMP, E-Mail oder SMS alamieren können. Das Master Time Center kann darüber hinaus mittels Internetbroswser und Java fernbedient werden und das Netzwerkmanagement durch Sammlung von SNMP-Meldungen unterstützen.

Die Systeme sind mit einer Vielzahl von Schnittstelle zur Integration in Netztwerke und Signalkreise ausgerüstet. Die Gehäuse passen in die marktüblichen 19-Zoll-Schränke und bieten Platz für Erweiterungsmodule. Bestimme Schnittstellen bzw. Module sind jeweils frei programmierbar. “Damit können wir jedes externe Gerät seriell synchronisieren, unabhängig von den jeweiligen Parameter, erläutert Dipl.-Ing (BA) Armin Seeger, zuständig für die technische Vertriebsunterstützung bei BÜRK MOBATIME.

Ständige Innovation auch in Zukunft gefordert

Bei den Datennetzanwendungen von heute bleibt die Entwicklung jedoch nicht stehen. Die Anforderungen an Zeitdienstanlagen werden deshalb ebenfalls weiter zunehmen. Die technischen Perspektiven zeichnen sich bereits deutlich ab. Man denke an das Aufkommen elektronischer Fahrscheine und Bezahlsysteme, an Mobilfunkanwendungen oder intelligente Verkehrsleitsysteme, die Individualverkehr und öffentlichen Nahverkehr integrieren. “StändigeEntwicklungsarbeit ist die Antwort auf diese Herausforderungen”, blickt Geschäftsführer Michael Schoettle in die Zukunft.

Mit innovativen Zeitsystemen gibt die BÜRK MOBATIME GmbH nicht nur bei Verkehrsbetrieben, sondern auch in intelligenten Verwaltungsgebäuden die Richtung an. Weitere Schwerpunkte bilden Industriebetriebe, Flughäfen, Radio- und Fernsehanstalten, Banken, Krankenhäuser, Elektrizitätswerke, Forschungs-, Hochschul- und Bildungsinstitute. Der Bundestag, die Münchner Messe und auch der Flughafen München bei seiner Erweiterung entschieden sich für Systeme des deutschschweizerischen Unternehmens. Unter den vier Schlagworten Zeitanzeige, Zeitsteuerung, Zeitverteilung und Zeiterfassung bringt BÜRK MOBATIME eine Reihe weiterer Produkte auf den Markt: analoge und digitale Industrie-Einzeluhren und -Nebenuhren, Welzeituhren, Funkuhren, Steuer- und Endgeräte, Arbeits- und Auftrags-Zeiterfassungsgeräte.

Die Firmengruppe beschäftigt etwa 220 Personen. Entwicklung und Produktion sind in der Schweiz angesiedelt. Das Unternehmen in Villingen-Schwenningen konzentriert sich auf das Produktmaketing, die Anwendungstechnik und denVertrieb für die in Deutschland ansässigen Kunden. Der Name Bürk gilt seit Mitte des 19. Jahrhunderts als ein Inbegriff für Zeiterfassung und Zeitsysteme in gewerblichen und öffentlichen Einsatzgebieten. Am Anfang standen innovative Ideen des Schwenningers Johannes Bürk – ein Mensch mit Dynamik und Erfindergeist, zeitweilig Revolutionär, Zeitungsverleger, Bürgermeister, Sozialreformer und schließlich Begründer einer Uhrendynastie. Bürk zählte zu den ersten, die eine Fabrik bauten und die industrielle Serienfertigung von Industrieuhren einführten. Der innovative Geist steckt nach wie vor im Unternehmen.

Sonderdruck RegioTrans 2003