Im Wandel der Zeit - Moderne Zeitdienstanlagen für Nahverkehrsbahnen

Eine moderne Zeitdienstanlage sollte heutzutage nicht nur die klassische Uhrenanlage beinhalten, sondern auch die Zeit- und Frequenzsynchronisation insgesamt. Deshalb ist im Zuge des technologischen Fortschritts und im Zeitalter der Digitalisieruing eine Erhöhung des Anforderungsprofils festzustellen. Dies bedeutet, das wesentlich genauere und leistungsfähigere Anlagen notwendig sind.

Noch bis vor wenigen Jahren bestand die klassische Zeitdienstanlage im schienengebundenen Nahverkehr darin, dass hauptsächlich die Verteilung der absoluten Zeitinformation sichergestellt werden musste.

Dies geschah ausgehend von der DCF-/GPS-synchronisierten Zeitzentrale in der Betriebszentrale, dann über die Unterzentralen/Hauptuhren auf den Bahnhöfen und schließlich auf die Nebenuhren auf den Bahnsteigen und in den Betriebsräumen. Gelöst wurde dies dadurch, dass beispielsweise in der Leitstelle eine leistungsfähige, meist redundant aufgebaute Zentral-Hauptuhr zum Einsatz kam. Diese war typischerweise durch eine Vielfalt an Linientreibern und Schnittstellenmodulen gekennzeichnet, was regelmäßig zu einer recht umfangreichen Funktionsausstattung der Zentraluhren führte. Sowohl die verbundenen Unterzentralen als auch diverse Endgeräte konnten damit aber mit der stets präzisen und hochverfügbaren Zeitinformation (Lokalzeit) versorgt werden.

Dabei erfolgte die Kommunikation zwischen der Zeitzentrale und den Unterstationen beispielsweise über eine serielle Datenverbindung, die sich physikalisch dann einer bidirektionalen Glasfaserverbindung zwischen Leitstelle und den Haltepunkten bediente. Die auf den Haltestellen platzierten Unterzentralen bestanden folglich aus klassischen Hauptuhren, die einerseits die installierten Nebenuhren (z.B. analoge Bahnhofsuhren zur Fahrgastinformation oder Digitaluhren für die Betriebsräume) synchronisieren konnten und darüber hinaus weitere Zusatzfunktionen, wie  integrierte Relaisausgänge für diverse Schaltvorgänge sicherstellten. Für die Ansteuerung dieser Nebenuhren wurden dabei entweder konventionelle Impulsausgänge oder eher fortschrittliche, selbstrichtend ausgestattete Datentelegramme auf Zweidrahtbasis verwendet. Schon mit diesen Anlagen war es jedoch üblich, dass z.B. die Zeitsynchronisation parallel installierter IT-Systeme als erwünschte Nebenfunktion mittels NTP-Ausgang gleichfalls gewährleistet wurde.

Asien konzeptionell im Vorteil durch “freie” Planung

Insbesondere in den Exportmärkten, vorzugsweise bei den recht fortschrittlichen Bahnbetrieben in Asien, hat im Bereich des „Time Engineering“ in den letzten Jahren ein gravierendes Umdenken stattgefunden. Aufgrund der Urbanisierung, stetig wachsenden Bevölkerungszahlen und dem damit verbundenem Verkehrsaufkommen entstehen dort völlig neue U-/und S-Bahnlinien. Diese Anlagen werden, im Gegensatz zu Europa, frei von Zwängen durch bereits bestehende Infrastrukturen und entsprechenden Kompatibilitätsaspekten nach dem aktuellen Stand der Technik geplant. Durch eine derart unbelastete Sichtweise gewinnt der zuständige Planer einen klaren Blick auf die möglichen Innovations- und Verbesserungspotenziale.

Aus diesem Grund stellt man mehr und mehr fest, dass eine moderne Zeitdienstanlage nicht mehr nur die klassische Uhrenanlage, sondern darüber hinaus auch die Zeit- und Frequenzsynchronisation insgesamt beinhalten soll. Waren früher die „Primary Reference Clocks“ zur Taktung der Glasfasernetze noch Gegenstand separater Ausschreibungen, finden heutzutage nur noch kombinierte Spezifikationen für die kompletten Zeitsysteme entsprechende Anwendung. Flankiert und verstärkt wird diese Entwicklung durch den technologischen Fortschritt dahingehend, dass im Zeitalter der Digitalisierung eine generell Vereinheitlichung unterschiedlicher Schnittstellen und zudem eine Erhöhung des Anforderungsprofils festzustellen ist. So ändern sich die entsprechenden Anforderungen und man spricht heute nicht mehr über serielle Datenverbindungen, sondern vielmehr über NTP, PTP, SynchE, E1 oder andere Mechanismen.

Übersetzt an die Anforderungen an die Zeitdienstzentrale heißt das konkret, dass wesentlich genauere und leistungsfähigere Anlagen notwendig sind. Doch weisen diese Anlagen dann eine gute Zukunftsorientierung auf und sind unter dem Strich auch deutlich wirtschaftlicher als die vormals geprägten, teilweise parallel aufgebauten Strukturen. Die grundsätzlich artverwandte Zeit- und Frequenzsynchronisation wird damit „in eine Hand“ gegeben – und gleichzeitig mit einem deutlich höheren Standardisierungsgrad ausgeschrieben.

Unter diesem Aspekt bestehen moderne Zeitsysteme für Nahverkehrsbahnen, siehe Abbildung oben, vielmehr unter hierarchisch angeordneten Zeitservern, als dass sie noch dem Bild einer klassischen Haupt- und Nebenuhranlage entsprechen. In der Betriebszentrale werden sogenannte „Timecenter“ installiert, die alle o.g. IT-Schnittstellen sowie eine sichere, bidirektionale Anbindung an das WAN/LAN und das Kommunikations-Backbone der gesamten Bahnanlage gewährleisten.

Installation von Timecentern

Über diesen Kommunikationsweg sind netzwerkfähige Unterzentralen an die Zentraluhr der Betriebsleitzentrale angeschlossen, die auf den Haltestellen dann eine Doppelfunktion zwischen herkömmlicher Linien-Hauptuhr und fortschrittlichem NTP-Server einnehmen. Man spricht aus diesem Grund auch von „Netzwerk-Hauptuhren“, welche eine zuverlässige Integration – sowohl die der Nebenuhren (Zeitanzeigen) als auch anderer, informationstechnischer Gewerke – in die Gesamtarchitektur des dann umfassenden Zeitsystems ermöglichen. Möglich wäre es auch, auf die zweidrahtgebundene Anbindung der Zeitanzeigen gänzlich zu verzichten und diese vollständig als reine NTP-Clients und mit Softwareüberwachung in die Anlage einzubinden.

In jedem Fall geht man bei diesen modernen Zeitdienstanlagen aber konsequent den Weg, dass eine zentrale Zeit- und Frequenzsynchronisation sowohl die Taktung des Glasfasernetzes als auch die Synchronisation der verbundenen IT-Systeme wie z.B. Videoüberwachung, Zugzielanzeiger, Lautsprecheranlagen sowie diverse andere Steuerungsaufgaben mit übernehmen kann. Ein besonderes Merkmal dieser Auslegung ergibt sich auch daraus, dass die Zeitzentralen in der Leitstelle redundant aufgebaut sind, ständig durch eine netzwerkunabhängige Glasfaserverbindung miteinander kommunizieren und sich permanent abgleichen. Sollte also eine der Zeitzentralen ausfallen, kann das Backup-Gerät ohne quarzbedingten Zeitsprung – dieser wäre IT-technisch als kritisch zu bewerten – die Funktionalität der eigentlichen Hauptzentrale sofort übernehmen. Mit diesem Prinzip erreicht man dann Maximalwerte bei der Anlagenverfügbarkeit.

Überträgt man diese internationalen Projekterfahrungen auf Deutschland, so sieht man sich leider entsprechenden Grenzen gegenüber. Diese resultieren einerseits daraus, dass man eben nicht „auf der grünen Wiese“ planen kann und in den meisten Fällen langjährig installierte Infrastrukturen zu berücksichtigen hat. Andererseits muss man aber auch konstatieren, dass offenbar häufig auch die finanziellen Mittel für eine planmäßige Modernisierung entsprechender Anlagen fehlen.

Schritt für Schritt zu neuen, zukunftsorientierten Konzepten

Aus Herstellersicht besteht eine mögliche Antwort darin, dass man – ausgehend von den heutigen Strukturen – in erster Linie aufwärtskompatible Neukonzeptionen anbietet, die Schritt für Schritt bestehende Altanlagen in neue, leistungsfähige und zukunftsorientierte Konzepte überführen helfen. Erste, konkrete Anwendungs- und Projektbeispiele zur Modernisierung des Hauptuhrbestandes bei namhaften, deutschen ÖPNV-Unternehmen machen jedoch Mut und zeigen auch hier technologisch und wirtschaftlich interessante Möglichkeiten auf.

Im Zuge der aktuellen Diskussion um eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs und eine Reduzierung des individuellen Verkehrsaufkommens scheint dies auch ein nachhaltig richtiger Ansatz zu sein.